Die Abendschule Gießen feiert ihr 70-jähriges Bestehen – ein Meilenstein in der Bildungslandschaft der Stadt. Seit sieben Jahrzehnten bietet die Einrichtung Menschen aller Altersgruppen die Möglichkeit, kostenlos Schulabschlüsse nachzuholen, sich beruflich weiterzubilden und neue Perspektiven zu eröffnen.
Der Festakt fand in feierlichem Rahmen auf dem Schulgelände statt – verbunden mit der feierlichen Zeugnisvergabe an die diesjährigen Absolventinnen und Absolventen sowie einem anschließenden Sommerfest. Schulleiterin Susanne Hansen begrüßte zahlreiche Gäste, darunter ehemalige und aktuelle Studierende, Lehrkräfte, Vertreterinnen und Vertreter des Hessischen Kultusministeriums, des Staatlichen Schulamts und der Stadt Gießen. Alle kamen zusammen, um das Jubiläum der traditionsreichen Einrichtung gemeinsam zu würdigen.
Mehrere lockere Gesprächsrunden beleuchteten anschließend die Geschichte und Gegenwart der Schule. Francesco Arman (Schulverwaltung), Georg Wittich (SSA Gießen) und Timo List (Hessisches Kultusministerium) gaben zunächst Einblicke in ihre Arbeit im „Hintergrund“ der Abendschule Gießen. Vor allem Francesco Arman und Timo List schilderten berührend ihren eigenen Lebensweg und ihre Verbindung zu Einrichtungen des Zweiten Bildungswegs. Arman betonte, dass sein beruflicher Werdegang unter anderem über den Realschulabschluss an der Abendschule Gießen einen entscheidenden Impuls bekommen hätte. Auch Timo List gab einen Einblick in seinen Werdegang, der am Ende der Grundschulzeit erstmal nicht als besonders erfolgversprechend prognostiziert wurde. Beide rieten den Absolventinnen und Absolventen zu Ehrgeiz und Durchhaltevermögen, dann sei alles im Leben möglich.
Anschließend richtete sich der Blick in die Vergangenheit: Die ehemalige stellvertretende Schulleiterin Frau Wiele, sowie die früheren Schulleiter Wilmar Steup und Dieter Cebulla erinnerten an prägende Entwicklungen der letzten Jahrzehnte. Frau Wiele hob hervor, wie schwierig es insbesondere für junge Frauen in der Nachkriegszeit war, Zugang zur Bildung zu erhalten – in einer Zeit, in der Frauen häufig auf ihre Rolle als Ehefrau reduziert wurden. Wilmar Steup berichtete vom Einzug der ersten Computer in den Schulalltag. Dieter Cebulla schilderte, wie die Abendschule die Herausforderungen der Corona-Pandemie mithilfe digitaler Lösungen wie IServ bewältigte.
Auch Stimmen aus der aktuellen Studierendenschaft kamen zu Wort: Michelle Rudolph und Moritz Braun schilderten bewegend ihre persönlichen Erfahrungen und lobten die familiäre Atmosphäre der Schule und ihrer Lerngruppe, sowie das große Engagement der Lehrkräfte. Alwin Hofmann, Vertreter des Fördervereins, stellte die vielfältige Unterstützung vor – etwa bei Exkursionen oder anderen Projekten.
Unter dem Motto „Es gibt nichts Gutes – außer: man tut es“, einem Zitat des Schriftstellers Erich Kästner, richtete sich Susanne Hansen dann direkt an die Absolventinnen und Absolventen. Sie würden jetzt ihre Zeugnisse für den Hauptschulabschluss, den Realschulabschluss, die Fachhochschulreife oder sogar das Abitur erhalten– nach oft jahrelangem Lernen am Abend, neben Beruf, Familie und vielen anderen Herausforderungen. Das mache deutlich, wie viel Kraft, Ausdauer und Zielstrebigkeit hinter den individuellen Bildungswegen der Teilnehmenden stehe. Viele von ihnen würden tagsüber in Krankenhäusern, auf Baustellen, in Pflegeeinrichtungen, in Bäckereien oder bei der Bundeswehr arbeiten, manche nebenbei ihre Kinder oder Angehörige versorgen. Und dennoch hätten sie die Energie, jeden Abend von 16:45 bis 21:40 Uhr die Schulbank zu drücken, gefunden.
Die Schülerschaft der Abendschule sei so vielfältig wie die Gesellschaft selbst: Menschen mit Wurzeln in Ländern wie Pakistan, Syrien, Afghanistan, Eritrea oder dem Kosovo hätten hier einen Ort des Lernens und der Gemeinschaft gefunden. Susanne Hansen betonte zudem, wie wichtig Bildung als Brücke zur Teilhabe sei – gerade in einer Zeit, in der Intoleranz und Ausgrenzung wieder zunehmen würden. „Unsere Schule steht für Demokratie, Gleichberechtigung und gesellschaftliche Verantwortung“, betonte sie weiter, „wir unterstützen unsere Studierenden, weil wir daran glauben, dass ein weltoffenes und freies Miteinander möglich ist – und Bildung der Schlüssel dazu ist.“ Die Tutorinnen und Tutoren Heike Gloning, Simone Failing, Joachim Gut und Philipp Schifferli überreichten den Absolventinnen und Absolventen feierlich ihre Abschlusszeugnisse – 16 Hauptschulabschlüsse, 8 Realschulabschlüsse, 6x Abitur und 6x die Fachhochschulreife. Besondere Leistungen wurden ebenfalls gewürdigt: Ein Abitur mit der Traumnote 1,0, ein Realschulabschluss mit 1,3 und ein sehr guter Hauptschulabschluss mit 1,0 wurden mit Büchergutscheinen belohnt. Zudem verlieh die Deutsche Physikalische Gesellschaft zwei Preise für herausragende Leistungen im Fach Physik.
Nach der offiziellen Zeugnisvergabe wurde auf dem Schulhof weitergefeiert – bis zum Einbruch der Dunkelheit. Musik sorgte für Stimmung, darunter auch ein besonderes Highlight: ein eigens an zwei Projekttagen komponierter und aufgenommener Song über die Abendschule, der von den Erfahrungen und Emotionen der Schulzeit erzählte.
Bei leckerem Essen und in entspannter Atmosphäre kamen Gäste, Studierende und Lehrkräfte miteinander ins Gespräch. Für heitere Momente sorgte eine Fotobox, in der unzählige Schnappschüsse zur Erinnerung entstanden. Eine Ausstellung dokumentierte die Geschichte der Abendschule im Wandel der Zeit, und als Symbol für den Moment und die Zukunft wurde eine Zeitkapsel versenkt – gefüllt mit Erinnerungsstücken und Gedanken an diesen besonderen Tag. Die Jubiläumsfeier verdeutlichte wieder eindrucksvoll: Bildung kennt keine Altersgrenze – und an der Abendschule Gießen auch keine Uhrzeit.
Abendschule Gießen
Schule für Erwachsene der Universitätsstadt Gießen
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